Die Geschichte von CORVUS CORAX ist eine bewegte: Als die Band 1989 von Wim und Castus als Duo während der Flucht aus der ehemaligen DDR auf der Straße gegründet wurde, zeigte sich schnell, dass diese Band mehr bedeuten würde, als bloßer Broterwerb auf den Marktplätzen und Burgen Europas.
Als Innovatoren des Verständnisses mittelalterlicher Musik und Wegbereiter für eine florierende Szene schufen Sie ein Bild von den Spielleuten längst vergangener Zeiten, an dem sich heute unzählige etablierte und jüngere Gruppen der Szene orientieren.
Stillstand war CORVUS CORAX dabei jedoch stets ein Dorn im Auge, weshalb sie mit ihrer Vision stets einen Schritt weiter gingen: durch stete Erneuerung im Instrumentarium, wie den von Instrumentenbauer Wim speziell entwickelten Dudelsäcken oder der "Organistrum" genannten größten Drehleier der Welt, das Mammutprojekt Cantus Buranus, das eine Brücke zwischen Klassik und Mittelalter schlägt, und nicht zuletzt durch die unermüdliche Suche nach frischen Quellen für ihre Musik in Bibliotheken und auf Reisen.
Bis nach Indien und China führte diese Suche bisher, im Kern jedoch finden sich die Einflüsse von CORVUS CORAX bislang in Mittel- und Westeuropa, zwischen Frankreich und dem Balkan.
Nach nunmehr 22 Jahren ist es an der Zeit, den Blick in eine neue Richtung schweifen zu lassen, und so wenden sich CORVUS CORAX auf ihrem neuen Album "Sverker" nach Norden: die alten Völker der Wikinger und Kelten, welche längst zur Legende verblasst sind, bilden den kulturellen Rahmen, der nun vertont werden soll.
Dabei verstehen sich CORVUS CORAX nach wie vor in der Tradition eines reisenden mitteleuropäischen Spielmannes. Sie verarbeiten die gefundenen Lieder, Melodien und Tänze in der für die Band typischen Konstellation: die Basis bilden hierbei die Dudelsäcke, Schalmeien, Cister und Riesendrehleier sowie Trommeln aus aller Herren Länder, durch die der klassische, unverkennbare Klang von CORVUS CORAX entsteht.
In diesem Sound wird die altirische und skandinavische Folklore verwoben: Melodien der Wikinger, keltische Poesie und Balladen finden ihren Einzug in das Gesamtbild. So entsteht ein vielseitiges, athmosphärisch stimmiges Gesamtwerk aus Instrumental- und Gesangsstücken, für die Sänger Castus sich wiederum eingehend mit den alten Sprachen des Nordens befasst hat. Auf „Sverker“ singt er in gälisch (altirisch), altnordisch und dänisch. Zum Teil martialisch, zum Teil wild und zum Tanzen auffordernd, mitunter sehnsüchtig und verträumt erklingt die Musik des Nordens.
Das Titelstück "Sverker" handelt vom Gang des Schwedenkönigs Sverker II. zu seinem dänischen Kontrahenten, dem er die Folgen des Krieges ins Gewissen ruft und zur Abwendung dessen in einen Waffenstillstand einwilligt: "Denn nehmen die Ritter ihr Schild und Schwert // Dann weinen so viele." Musikalisch trifft hier die keltische Harfe auf wehklagende Dudelsackthemen, Riesendrehleier und schleppende Trommelrhythmen.
Beeindruckend ist die Interpretation des "Ragnarök", der vielgerühmten Endzeit aus der altnordischen Dichtung Völuspá: obwohl in der "Wolfszeit" die Welt im Chaos versinkt, prophezeiht das Ragnarök doch die Entstehung eines nachfolgenden, goldenen Zeitalters für die Menschen. Und so beschreibt die Musik das Ende der Welt nicht als großes Leid, sondern eher als wild und hypnotisch. CORVUS CORAX blicken hier mit einem gewissen Augenzwinkern auf das Jahr 2012, für das ja schon das nächste Ende der Welt (in diesem Fall von den Maya) angekündigt wurde, und liefern den perfekten Soundtrack für eine denkwürdige Weltuntergangsparty.
Deutlich fröhlicher geht es in dem keltischen Lied „Fiach Dubh" zu: der Frühling ist da, und ein Rabe ruft nach dem Erwachen des Lebens. Ein interessantes Wechselspiel zwischen dur- und mollverwandten Tonarten sorgt für Abwechslung, so dass zu diesem Stück die ganze Nacht hindurch getanzt und gefeiert werden darf.
"Schlafen kannst du, wenn du tot bist, also genieße das Leben in vollen Zügen" lautet das Credo jedes echten Spielmannes. Die Wikinger sahen das wohl genauso, und so fühlen sich CORVUS CORAX mit ihnen im Stück "The drinking, loving Dancers" wohl am engsten verbunden. Obwohl inhaltlich und musikalisch "typisch CORVUS CORAX", stellt das Lied dennoch eine Besonderheit dar: das ursprünglich altnordische Stück wird auf englisch vorgetragen, und überrascht obendrein mit einem dazugehörigen deutschsprachigen Chorus. Klare Sache: dieses Stück ist der Livekracher schlechthin auf "SVERKER".
Mit dem gälischen Stück "Na láma-sa" schließt eine Hommage an die Ahnen des Album ab: den Blick weit über die irischen Küsten schweifen lassend, lassen CORVUS CORAX in diesem sehnsuchtsvollen, getragenem Stück den uralten Ruf nach Freiheit erklingen.
Während der Arbeiten an "SVERKER" waren CORVUS CORAX viel unterwegs. Sage und schreibe 11 verschiedene Länder haben sie im Jahr 2011 bereist. Des öfteren fiel der Band hierbei auf, dass sie von zwei Raben, ihres Zeichens Namensgeber der Band, beobachtet wurden. Die Vermutung legt nahe, dass Odin selbst, höchster nordischer Gott, seine gefiederten Späher Hugin und Munin ausgesandt hat, um den Spielleuten bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Ein schöner Gedanke…
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